Die Sozialdemokratie im Granseer Ortsteil Altlüdersdorf

In Altlüdersdorf erhöhte sich die Einwohnerzahl von 477 (1800) auf 685 (1895). Dabei vermehrte sich der Anteil der dörflichen Arbeiterschaft (Knechte, Mägde, Tagelöhner und Waldarbeiter) beachtlich. Des Weiteren waren im Ort etliche, zumeist auswärtig arbeitende Maurer, Zimmerer, Ziegler usw. ansässig, die sich in Interessenvertretungen zu organisieren begannen. Auch ein „SPD-Wählerverein“ entstand. Ein aktives Mitglied dieses Vereins war der Maurer Franz Sühring, der seit 1903 allen Drohungen und Maßregelungen zum Trotz seinen Hof für alle Wahlversammlungen zur Verfügung stellte. Die beiden Gastwirte in Altlüdersdorf und die der benachbarten Orte wollten oder trauten sich nicht den „Sozis“ einen Saal zur Verfügung zu stellen. Nach dem 1. Weltkrieg setzten die Jüngeren, inzwischen häufig in Berliner oder Oranienburger Betrieben arbeitend und dort politisch von gestandenen Sozialdemokraten politisch geschult, den begonnenen Weg ihrer Väter fort. Die ersten allgemeinen Wahlen der „Weimarer Republik“ am 6. Juni 1920 brachten einen großen Erfolg: Von 421 Wahlberechtigten gaben 159 der damaligen USPD, 86 der SPD ihre Stimme, was insgesamt einem Anteil von 58 % entsprach. In konservativen Kreisen sprach man fortan vom „roten Dorf“.
Zwanzig Tage nach der Wahl wurde der Vorsitzende der USPD-Ortsgruppe, der soeben in den Kreistag und den Kreisrat Ruppin gewählte Maurer Adolf Remer, von einem nationalistisch verhetzten Forsteleven auf offener Straße erschossen. Die Untersuchungs-kommission befand nach zweijährigen Ermittlungen, der Schießwütige habe gegenüber dem friedlichen, unbewaffneten Lüdersdorfer Arbeiter in Notwehr gehandelt. Die anderen Arbeiter erlebten noch dazu eine Maßregelung des Forstamtes als Racheaktion. Seit alters her überbrückten sie die verdienstarme Herbst- und Winterzeit durch Holzfäller- und sonstige Waldarbeiten. Angesichts des eingeleiteten Verfahrens gegen den Forsteleven versagte der Oberförster im Herbst 1921 ihre Einstellung und Beschäftigung. Darauf begannen die ständigen, fest angestellten Forstarbeiter einen Solidaritätsstreik. Er blieb erfolglos, weil der aus Neuruppin herbeigerufene Gewerkschaftsvorsitzende nach Aussprache mit dem Oberförster den Ausstand als „wilden Streik“ bezeichnete und dadurch half ihn abzuwürgen. Das änderte nichts an der Tatsache, dass die Altlüdersdorfer Arbeiter dem Ruf ihres „Roten Dorfes“ gerecht wurden. Das spiegelte sich auch in den Wahlergebnissen zu Beginn der 1930er Jahre wider. Den höchsten Stimmenanteil in Altlüdersdorf erreichten SPD und KPD bei der letzen Reichstagswahl vor der Machtergreifung der Nazis, die am 6. November 1932 statt fand. Die SPD erhielt 140, die KPD 76 Stimmen. Damit besaßen sie zusammen mit 216 von 396 abgegebenen Stimmen mit 55 % die absolute Mehrheit.

Der SPD-Wählerverein in Altlüdersdorf im Jahre 1905

Der Landrat in Neuruppin gab schon 1903 allen Bürgermeistern, Amts- und Gemeindevorstehern die Weisung, mit aller Schärfe gegen die „Sozis“ vorzugehen. Als nun der Lüdersdorfer SPD-Wählerverein die Genehmigung zu einer „öffentlichen Volksversammlung“ am 22. Mai 1905 auf dem Hofe des Maurers Franz Sühring beantragte, wurde sie ihm versagt, obwohl zwei Jahre vorher an gleicher Stelle schon einmal eine Wahlversammlung statt gefunden hatte. Der amtierende Amtsvorsteher in Altlüdersdorf, ein „Bauerngutsbesitzer“ Henning, zeigte sich sehr besorgt um das Leben und die Gesundheit seiner ortsansässigen Sozialdemokraten und versagte fadenscheinig die Genehmigung aus „Sicherheitsgründen“. Der Hof wäre viel zu klein und besäße nur einen einzigen Zugang. Käme es zu einer Katastrophe, sei das Leben der Teilnehmer stark gefährdet. Alle Einsprüche der Veranstalter nutzten nichts. Auch das angebotene Ausweichquartier, der Hof des Arbeiters Remer in Altlüdersdorf, musste der Amtsvorsteher zu seinem Bedauern ebenfalls ablehnen. Es ist aber anzunehmen, dass die tatsächlichen Beweggründe des Amtsvorstehers Henning sowohl politisches Kalkül als auch persönliche Rachegelüste waren. Die Aktivitäten der Sozialdemokraten sollten schlichtweg unterbunden werden. „Bauerngutsbesitzer“ Henning gehörte zudem den „Freisinnigen“, also der Freisinnigen Volkspartei, an. Bereits bei der öffentlichen Versammlung des hiesigen SPD-Wählervereins vor der letzten Reichstags-Hauptwahl am 16. Juni 1903 hatte er veranlasst, dass auch der Wahlkreiskandidat seiner Partei daran teilnehmen durfte, damit dieser die Erschienenen zur Stimmabgabe für die „Freisinnigen“ überzeugen könne. Es kam aber nicht dazu, weil dieser nach dem Hauptreferat Max Kiesels (SPD) und einigen Ausführungen des ortsansässigen Schlossers Habock die Fassung verlor und gegen jedwege Anstandsregeln verstieß, indem er unflätige Bemerkungen machte, die ihm nichts als Buhrufe einbrachten. Er rief wiederholt dem Schlosser Habock die Bemerkung „unflätiger Stallbursche“ zu, um ihn zu verunglimpfen. Aber die Taktik ging nicht auf und der Schuss ging nach hinten los.

Eine SPD-Wahlversammlung in Altlüdersdorf im Jahre 1911

Am Silvesterabend 1911 hatte der unermüdliche Altlüdersdorfer SPD-Mann Franz Sühring auf seinem Hof wieder eine SPD-Wählerversammlung organisiert, diesmal ohne Störversuche des Gemeinde- und Amtsvorstehers. Vierzig Männer und 8 Frauen nahmen daran teil. Der Agitator aus Berlin wandte sich in seiner Rede zuerst nachdrücklich den örtlichen Verhältnissen zu. Er erinnerte daran, dass die SPD in Altlüdersdorf 1903 noch 88, 1907 aber nur noch 43 Stimmen erhalten habe und er gab Hinweise, welche Aktionen und Maßnahmen zur Erhöhung der Stimmenzahl zu empfehlen seien. Außerdem sprach er über die hohe Schuldenlast des Deutschen Reiches, die Benachteiligung der Arbeiter durch die Neuordnung der Reichsversicherungsordnung sowie über die Kolonialpolitik.

Diplom-Historiker
Carsten Dräger
OV Gransee-Fürstenberg

GraFü-Kurier

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