Die ersten „SPD-Wählerversammlungen“ unseres Bereichs im Jahre 1903
Die erste SPD-Wählerversammlung unseres Bereiches fand am 24. Mai 1903 auf dem Hofe des Maurers H. Pieper im Ort Neulögow, dessen „Handwerkerverein“ fünf Jahre zuvor den berühmt gewordenen Prozess gegen den Landrat und den hiesigen Amtsvorsteher gewonnen hatte, statt. Für den zur Aufsicht kommandierten Gendarm war die Anwesenheit von nicht weniger als 150 Personen vermutlich eine große Überraschung, denn er versuchte in seinem Bericht krampfhaft, die unerwartet starke Beteiligung zu erklären. Er stellte in seinem Bericht fest, dass auch aus Großwoltersdorf, Seilershof, Königstädt (Wolfsruh), Zernikow und Lüdersdorf Teilnehmer zugegen waren.
Weitere „SPD-Wählerversammlungen“ fanden am 31. Mai 1903 in Gransee auf dem Hofe des Gastwirtes Franke mit ebenfalls 150 Teilnehmern, am 14. Juni – zwei Tage vor der Wahl – in Lüdersdorf auf dem Hofe des Maurers Franz Sühring mit 45 Personen und nochmals in Gransee mit 75 Teilnehmern statt. Als Redner traten auf diesen Veranstaltungen der SPD-Reichstagskandidat des Wahlkreises Ruppin-Templin Max Kiesel und der Genosse Scheffler, beide aus Berlin, auf.
Der Wahlkampf zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1908
Die Frage nach etwaigen Kundgebungen gegen das bestehende Dreiklassenwahlrecht seitens der Behörden und Amtsinhaber auf Kreis- und Kommunalebene erfolgte, weil die bevorstehenden Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus vielerorts Protestaktionen ausgelöst hatten. Die SPD-Wählervereine der Region begannen den Wahlkampf mit Flugblattverteilungen, nachdem auf einer Generalversammlung am 2. April 1908, dem 2. Osterfeiertag, beim Gastwirt August Stabe in Lindow, von den Delegierten die diesmalige Wahlkampftaktik festgelegt worden war. Da der Vorsitzende Ludwig Krasemann aus nicht erwähnten Gründen an der Teilnahme verhindert war, sprach der Genosse Ritter aus Berlin zu den insgesamt 50 Delegierten. Der Kreis Templin entsandte Vertreter aus Templin, Zehdenick, Lychen und Kurtschlag, den Kreis Neuruppin vertraten Mandatsträger aus Neuruppin, Wusterhausen/Dosse, Kyritz, Spiegelberg, Dreetz, Sieversdorf, Lindow, Teschendorf, Grüneberg, Gransee, Lüdersdorf, Neulögow, Menz und Burow.
Die Zusammensetzung des Kreistages im Jahre 1919
Eine bedeutende Wahl des Jahres 1919 galt der „Neuordnung des Kreistages“ am 3. Juni. Der noch aus dem Kaiserreich stammende Kreistag, der unverändert bestand, setzte sich, geordnet nach Berufsgruppen, wie folgt zusammen: 21 Mitglieder waren in leitenden Verwaltungspositionen tätig, so u. a. als Landrat, Bürgermeister, Amts- und Gemeindevorsteher, 11 waren Guts-, Ritterguts- oder Bauern-gutsbesitzer, je 1 Abgeordneter Justizrat, Kaufmann, Apotheker bzw. Oberst a. D.. Für die „Neuordnung“ klügelten sich die Verantwortlichen ein System aus, das dem früheren Mehrheits-Wahlrecht ähnelte und wie dieses den Zweck hatte, die Wahl von Vertretern der konservativen bzw. bürgerlichen Parteien zu begünstigen bzw. die von Kandidaten der linken Parteien zu verhindern. Die bisher 36 Sitze wurden auf 35 reduziert, da der Sitz des Landrates nicht mehr für notwendig erachtet wurde, weil diesem ohnehin der Vorsitz oblag. Der Wahlvorstand legte zuvor fest, dass zwei Fünftel (14 Sitze) dem „Wahlverband der Städte“ und drei Fünftel (21 Sitze) dem „Wahlverband der Land-gemeinden“ vorbehalten blieben. Im „Wahlverband der Städte“ hatten die Kreisstadt Neuruppin acht, Gransee zwei, der „Städteverbund“ Lindow-Altruppin-Neustadt/Dosse zwei sowie die Städte Rheinsberg und Wusterhausen/Dosse je einen Kreistagsvertreter zu wählen. Der „Wahlverband der Landgemeinden“ war in sechs Bezirke aufgeteilt, von denen drei Bezirke jeweils vier, die anderen drei Bezirke jeweils drei Abgeordnete zu wählen hatten. Erstmals zogen 1919 sieben Arbeiter in das Neuruppiner „Kreishaus“ ein. Von den gewählten 34 Abgeordneten (Wusterhausen besetzte sein Mandat nicht-C.D.) gehörten acht den Arbeiterparteien an: SPD 4, USPD 3, KPD 1. Aus der Stadt und dem Bereich Gransee kamen namentlich folgende Vertreter: Bürgermeister Leue, Gutsbesitzer Draeger (jeweils Stadt Gransee), Gemeindevorsteher Dahme aus Menz und Landwirt Roesicke aus Dollgow (Landbezirk IV), Amtsvorsteher R. Henning aus Lüdersdorf, Maurer Adolf Remer aus Lüdersdorf und Gemeindevorsteher Gaedicke aus Keller (Landbezirk V), der Gemeindevorsteher Urban aus Grüneberg und Zollsekretär a. D. Westphal aus Löwenberg (Landbezirk VI). Remer, Roesicke und Westphal gehörten der USPD an.
Diplom-Historiker
Carsten Dräger
OV Gransee-Fürstenberg